Ausbildung & Professionalisierung

Bildung | Hausarbeit | Komposition

„Die Schülerin ermüdet auf halbem Wege. Der weibliche Sinn will mehr Blumen und frühe Frühlingsfrüchte. Das Mädchen sagt sich daher mehr oder weniger deutlich, dass dieses nicht der rechte Weg seyn könne; (…)“

So stand es in der Allgemeinen Musikzeitung von 1806 geschrieben und spiegelte wohl die geläufige Meinung wider, das weibliche Geschlecht sei schlicht nicht fähig und gewillt sich einer ausdauernden Bildung zu unterziehen. Was wohl Caroline Schleicher-Krähmer dazu gesagt haben würde?

Von ihr selbst gibt es leider keine Aussagen darüber. Doch kann man ihren eigenen Ausbildungsweg rekonstruieren und daraus Schlüsse ziehen.

Allgemeine (Schul-)Bildung

In Württemberg war bereits 1649 eine allgemeine Schulpflicht erlassen worden, die sich jedoch im Wesentlichen auf das männliche Geschlecht bezog. In ländlicheren Gegenden war es vermutlich aufgrund der geringeren Schülerzahl dennoch zu gemischten Klassen gekommen. In Stockach hatte es eine öffentliche Schule gegeben. Diese hatte vermutlich aber nur Carolines ältere Schwester Cordula besucht, da Caroline bis zu ihrem 5. Lebensjahr bei einer Pflegefamilie gelebt hatte und anschliessend mit ihrer Familie nach Ellwangen gezogen war. Ein Schulbesuch Carolines in Ellwangen konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Man kann also davon ausgehen, dass sie Lesen und Schreiben von ihrem Vater und ihrer älteren Schwester erlernt hatte. Wenn mann bedenkt, dass um 1800 „im Mittelmeerraum weniger als 35% der Frauen ihren Namen schreiben“ konnten, kann Caroline Schleicher-Krähmer als sehr fortschrittlich gelten.


Im Zuge der aufklärerischen Tendenzen jener Zeit, galt auch die Bildungsreise besonders nach Italien, die sogenannte „Grand Tour“ als unerlässlich. Diese war meist adligen und/ oder wohlhabenden jungen Herren vorbehalten. Doch wie bereits Leopold Mozart mit seinen Kindern eine Italienreise unternahm, plante auch Franz Joseph Schleicher mit seinen Töchtern nach Italien zu reisen. Aufgrund des damals ausgebrochenen Koalitionskrieges konnte die Reise jedoch nicht stattfinden und die Familie zog stattdessen in die Schweiz.


Ein weiterer Aspekt allgemeiner Bildung war damals auch die körperliche Ertüchtigung. Tägliches Gehen an der frischen Luft galt als notwendiger Ausgleich zu geistiger Arbeit. Von Clara Schumann weiss man, dass dies Teil ihres täglichen Arbeitspensums war. Von Caroline Schleicher-Krähmer gibt es diesbezüglich keine Überlieferungen.

Hausarbeit

Caroline Schleicher-Krähmer war von Kindheit an mit ihrer Familie meist mehrere Wochen im Jahr auf Reisen und wechselte alle paar Jahre den Wohnsitz. In einem Haushalt mit vier Frauen und begrenzten finanziellen Möglichkeiten gab es vermutlich keine Haushälterin oder Köchin. Vielmehr erlernte Caroline Schleicher-Krähmer wohl alle häuslichen Fertigkeiten von ihrer Mutter Josepha. Zudem war sie pragmatisch veranlagt und erledigte häusliche Aufgaben wohl prompt, aber mit wenig Leidenschaft. Sie selbst sagt „Die Klarinette und das Klavier spielte ich mit solcher Leidenschaft, daß beyde Instrumente mir oft verschloßen werden mußten, (…)“. Es dürfte also in diesem von Musik erfüllten Tag kein Raum für das Besticken von Taschentüchern, das Zeichnen von Aquarellen oder anderen Tätigkeiten gegeben haben, die dem weiblichen Geschlecht damals als so vorteilhaft zugeschrieben wurden.
In ihrem späteren Haushalt mit ihrem Ehemann Ernst Krähmer beschäftigte sie nachweislich ein Kindermädchen und eine Köchin, zumindest in jenen Jahren, als der Haushalt sechs bis sieben Kinder umfasste.

Komposition

Caroline Schleicher-Krähmer war auch kompositorisch tätig. Von einer institutionellen Ausbildung ist jedoch nichts überliefert, sodass davon ausgegangen werden muss, dass sie das Komponieren erlernte von
– ihrem Vater Franz Joseph Schleicher,
– möglicherweise von ihrem ersten Klavierlehrer Johann Melchior Dreyer (1747 – 1824), der selbst ein angesehener Komponist insbesondere von Kirchenmusik war sowie
– Franz Danzi (1763 – 1826), der ihr unentgeltlich Unterricht in Generalbass und Komposition erteilte.

Da es zu jener Zeit keine institutionalisierten Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen gab, war es im Falle Carolines äusserst günstig, dass sie in einer Musikerfamilie aufwuchs. Auf diese Weise konnte sie musikalische Fertigkeiten erwerben, die über den häuslichen Gebrauch hinaus gingen.